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Ayòbámi Adébáyò: Bleib bei mir


Spätestens seit Chinua Achebe und Chimamanda Ngozi Adichie ist Nigeria kein unbeschriebenes Blatt mehr in der Literaturwelt.

Eine Schriftstellerin, die jetzt vielversprechend nachrückt, ist die 30-jährige Ayòbámi Adébáyò. Sie hat Englische Literatur und Kreatives Schreiben in Grossbritannien studiert,

ihre Lehrmeisterinnen war unter anderem Margaret Atwood wie auch Adichie selbst. Adébáyòs Debütroman wurde in sechzehn Sprachen übersetzt.

«Frauen machen Kinder, und wenn du das nicht kannst, bist du nur ein Mann.»

Mit einer eindringlichen, jedoch fast schon lakonischen Sprache, erzählt Adébáyò aus der kinderlosen Ehe von Yejide und Akim. Das Paar ist schon seit mehr als vier Jahren verheiratet, doch die Kinder lassen auf sich warten; ungewollt natürlich. Akins Mutter hat schon lange beschlossen, dass ihr Sohn nicht kinderlos bleiben soll, wo doch das die Erfüllung eines jeden Mannes ist: eigene Kinder zu zeugen. Zu diesem Zweck holt sie eine Zweitehefrau ins Haus. Obwohl Yejide und ihr Mann sich von Anfang an gegen Polygamie ausgesprochen haben, können sie nichts dagegen unternehmen, dass sie schliesslich einzieht: die junge Funmi. Kinder rufen andere Kinder in die Welt, so Schwiegermutter. Funmi soll ihnen ein erstes Kind gebären, damit Yejide danach für weiteren Familienzuwachs sorgen kann. Zu diesem Zeitpunkt hat Yejide bereits einen Wunderheiler auf dem Berg aufgesucht, durch dessen Ritual sie scheinbar ein Kind empfangen hat; mehr als ein Jahr lebt Yejide mit dieser Scheinschwangerschaft mit all ihren Symptomen bis sie sich in psychologische Behandlung begibt. Tatsächlich wird Yeijde schwanger, aber das Glück ist nicht von langer Dauer - sie wird ein zweites, sogar ein drittes Mal schwanger, denn keins der ersten beiden Kinder überlebte lange. Das dritte Kind - ein Mädchen - trägt also den Namen Rotimi. Bleib bei mir.

Doch Yejide selbst ist dann die, welche die politischen Unruhen nutzt und ihre kleine Familie zurücklässt - bis sie etliche Jahre später auf einer Feier ihren Mann Akin mit einer jungen Frau antrifft.

 

"...mit millionenfachem Lächeln gewappnet: dem Vergebt-mir-Lächeln, dem Habt-Mitleid-Lächeln und dem Ich-vertraue-auf-Gott-Lächeln.

Mit jedem nur erdenklichen Lächeln, das man braucht, um einen Nachmittag mit einer Gruppe von Menschen zu überstehen,

die vorgibt, nur das Beste für einen zu wollen, während sie mit einem Stock in offenen Wunden stochert.“

 

Adébáyò beginnt ihre Erzählung im Jahr 2008. Während dem Erzählen schaut sie immer wieder zurück auf die Anfänge der Beziehung zwischen Yejide und Akin und beweist, dass in Westafrika - und vielen weiteren Teilen der Welt - die Liebe allein noch lange nicht ausreicht. Obwohl die beiden sich wollen, lieben und eine gemeinsame Zukunft wünschen, geht nichts über die Ehre der Familie; und die beinhaltet so viele ungeschriebene Regeln. Auch politisch lässt uns Adébáyò einen Blick auf das unruhige Nigeria der Jahrtausendwende werfen, genauso auf die Kultur des Yorubavolkes, dessen Natur- und Waldgeister während der Geschichte noch einen wichtigen Part einnehmen. Erzählt wird dieses Drama aus beiden Sichten; Yejide, wie sie die Scheinschwangerschaft und dann auch das Muttersein erlebt, wie sie ein Lächeln für jede mögliche Situation aufbringen kann, ohne kaum je ein Wort zu sagen. Akin, der verzweifelt um die Ehre seiner Ehe und seiner Familie kämpft und dabei so weit geht, einen anderen Mann seine Frau berühren zu lassen, ja sogar, jemanden zu töten. Adébáyò und ihre Übersetzerin Maria Hummitzsch finden die richtigen Worte, um den Leser in einen Sog zu ziehen; manchmal kommt das Buch gar dramatisch daher, aber im Gesamten ist es dann wieder stimmig und sorgt für die Spannung. Es gab schon seit längerem kein Buch mehr, dass mich so gepackt hat und gleichzeitig eine so wichtige Geschichte erzählt.

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