Der Report der Magd erschien erstmals 1985 unter dem Titel A Handmaid's Tale. Neuauflage im Piper Verlag April 2017 - Übersetzung aus dem Amerikanischen von Helga Pfetsch.
Die letzten Wochen ist mir dieses Buch auf den sozialen Kanälen öfters begegnet als ein anderes und die vielen positiven Rückmeldungen haben auch mich neugierig gemacht.
Also habe ich mir das Buch dann gekauft und die erste Hälfte regelrecht inhaliert. Danach kam das Wochenende und ich wollte mir eine kleine Auszeit nehmen, denn das Buch ist fordernd, selbst für Vielleser. Der Report der Magd wurde bereits wenige Jahre nach Erscheinen von Volker Schlöndorff unter dem Titel Die Geschichte der Dienerin verfilmt und wird seit Frühjahr 2017 als Serie unter dem Titel The Handmaid's Tale ausgestrahlt.
Ich warte. Ich sammle mich. Mein Ich ist ein Ding, das ich jetzt sammeln muss, so, wie man Fakten für eine Rede sammelt.
Ich muss ein gemachtes Ding präsentieren, nicht etwas Geborenes. S.92
Der Präsident wurde gestürzt und in der neuen Republik Gilead funktionieren nun christliche Fundamentalisten als Regierung. Erzählt wird die Geschichte von Desfred, deren echten Namen man leider nie erfährt, denn Namen sind nicht mehr wichtig und der Körper dient nur noch als Gefäss. Frauen sind zum Gebären da, um den Haushalt zu führen und ihrem Kommandanten zu dienen. Durch Sterilisierung und Umweltkatastrophen sind viele Männer unfruchtbar geworden und das Geschenk menschlichen Lebens deshalb umso wertvoller - doch zu welchem Preis? Mägde, die kein Kind gebären können, werden in die Kolonie geschickt, um dort - zur Bestrafung - Atommüll zu entsorgen. Der Mann indess schnappt sich die nächste Magd.
Die Bewohner werden ganz genau beobachtet von einer Regierungsorganisation, die den passenden Namen DAS AUGE trägt; wer nicht folgt, der wird bestraft.
Lesen oder Bildung im Allgemeinen ist untersagt, insbesondere für die weibliche Vetretung der Gesellschaft; als schönes Beispiel dient hier das Büro des Kommandanten, das als verbotener Raum gilt, da sich die Bücher hier in den Wänden reihen.
Desfred ist keinesfalls ein wunderlicher Name, denn die Namen der Mägde sind nicht ihre eigenen, sondern zeigen auf, wem sie dienen. DesFred, DesGlenn, DesGeorge. Ihr versteht.
Es tut mir Leid, dass in dieser Geschichte so viel Schmerz ist. Es tut mir leid, dass sie aus Fragmenten besteht - wie ein Körper, der in einen Kugelhagel geraten ist oder gewaltsam auseinandergerissen wurde. Aber ich kann nichts daran ändern. S.355
Auf den Inhalt will und kann ich nicht mehr eingehen, denn was Atwood auf 400 Seiten alles unterbringt, ist eine Wucht.
Als Frau war es nicht immer einfach zu lesen, man fühlt sich durch die Sicht der weiblichen Erzählerin zumindest angesprochen, wenn nicht sogar betroffen. Immer wieder musste ich mich selbst daran erinnern, dass Atwood dieses Buch bereits Mitte der 80er veröffentlicht hatte und es in der Zukunft spielt, eine Dystopie also - und dass diese Zukunft heute sein könnte. Angesichts der momentanen Lage - und ich rede hier auch von der westlichen Gesellschaft - ein gar nicht allzu fernes Szenario. Natürlich alles überspitzt und gar dramatisch - aber leider nicht unrealistisch. Nicht umsonst wird Atwood in einem Satz mit Aldous Huxley und George Orwell genannt. Atwood selbst sagt über dieses Buch, es sei speculativ fiction, sie schreibe über nichts, was es nicht schon gibt - tendenziell.
Was mich an diesem Buch besonders getroffen hat, war die Atmosphäre; man glaubt wirklich mit der Magd in ihrer Kammer zu hocken, während sie einem im Flüsterton von damals erzählt und in Erinnerungen schwelgt, und ihre jetzige Situation schildert. Auch das Thema Sehnsucht ist ein wichtiger Faktor im Report der Magd. Sehnsüchte, wie jeder Mensch sie hat: nach Nähe, Aufmerksamkeit, Wertschätzung, nicht zuletzt, die Sehnsucht nach Liebe.
Der Klappentext des Verlages ist meiner Meinung nach völlig unpassend und lenkt von der Tiefe und Ernsthaftigkeit dieses Buches ab - hätte ich nicht so viel über dieses Buch gelesen, hätte ich es mir aufgrund des Klappentextes nicht mal näher angeschaut. Ich kann nur sagen: Bitte lest das! Vor allem die Frauen - aber auch die Männer. So wichtig!
DYSTOPIEN
1. George Orwell: 1984 2. Aldous Huxley: Schöne neue Welt 3. Veronica Roth: Die Bestimmung (Trilogie) 4. Suzanne Collins: Panem - Tödliche Spiele (Trilogie)