De·m·a·go̱·ge, De·m·a·go̱·gin
Substantiv [der]
1. jmd., der mit seinen politischen Reden die Bevölkerung aufhetzt.
"ein von skrupellosen Demagogen aufgehetztes Volk"
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wählt einen, dessen Horizont beängstigend begrenzt ist.
So schnell wie an diesem Mittwoch bin ich wohl noch nie aufgestanden - wie von der Tarantel gestochen, wütend, ungläubig, aber auch enttäuscht -, doch am liebsten wäre ich bei diesen Nachrichten liegen geblieben; Spiegel, ZEIT, Stern, die NZZ, alle haben die Schreckensnachricht verkündet: Donald Trump liegt vorne, und zwar weit vorne. Clintons Kampagnenleiter gab schon kurz nach 8Uhr (Schweizer Zeit) bekannt, dass Clinton sich während der Wahlparty nicht mehr zu Wort melden wird - kurz darauf die Bestätigung, dass Trump auch Pennsylvania und Alaska für sich gewinnen konnte und damit war das Rennen entschieden. 8:46 schlagen die Nachrichten ein: Trump ist zum 45.Präsident der Vereinigten Staaten gewählt worden. Und die Welt ist geschockt.
Als ich dann zur Arbeit kam und überall ungläubiges Staunen und Fragezeichen zu spüren waren, sagte eine meiner Mitarbeiterinnen: "Ach, reg dich doch nicht auf. Das wird keine Auswirkungen auf uns haben." Aber natürlich wird es das. Trumps Wahl wird die Weltpolitik beeinflussen und dies nicht unbedingt positiv; Trump als Millionär und Wirtschaftsmogul. Die US-amerikanische Wirtschaft, die im Grunde genommen auf Krieg erpicht ist, da die Waffenherstellung über die "Nachfrage" hinaus geht. Und die Schweiz als Teilchenhersteller, die die Vorlage zur Waffe liefert, welche die USA dann nach Lust und Laune in der ganzen Welt herumschicken kann - denn mit Israel und anderen Kriegs- und kriegsgefährdeten Ländern hat Trump sich ja bereits gut gestellt.
Nun die Frage: Wäre Hillary Clinton besser gewesen? Nein, ich denke nicht. Sie wäre nicht besser, aber doch weniger schlimm gewesen. Als Wohlfühlwahl hat die ZEIT Hillary Clinton bezeichnet und so ganz falsch scheint das nicht zu sein, denn wäre ich vor der Wahl gestanden: Ich hätte wohl Clinton meine Stimme gegeben, einfach, um nicht Trump wählen zu müssen. Eine tolle Auswahl war das ja nicht; Clinton wäre vielleicht einfach das kleinere Übel gewesen.
Kommt ein Millionär, ein Rassist und ein Frauenfeind in die Bar.
Fragt der Barkeeper: "Na Donald, wie läuft der Wahlkampf?"
Donald Trump also. Der, der sich lustig macht über Menschen mit Behinderung, der Frauen als minderwertig anschaut und sich mit Ideen wie der Mauer zur Grenze Mexikos Feinde, allem Anschein nach aber auch genügend Freunde, gemacht hat.
Wirklich überrascht war ich nicht, war wohl niemand - aber der Schock sitzt tief.
Was Trump versprochen hat, kann er nicht halten, aber was mich so umgeworfen hat, war die Tatsache, dass das amerikanische Volk tatsächlich einem Mann wie diesem diese Macht übergibt. Dass die Leute ihm blind und dumm wie Schafe folgen, ohne sich der Folgen bewusst zu sein.
"Das Positive ist, dass wir nun nicht mehr so tun können, als seien wir frei von Rassismus und Sexismus. Die Frage ist: Was tun wir jetzt?"
(Jessica Chastain, Schauspielerin)
Fun Fact, der mich dann doch ein bisschen zum Lachen gebracht hat: Der Internetserver der kanadischen Einwanderungs-Behörde ist abgestürzt, weil die Nachfrage zu gross war. Bereits im Voraus hatten viele - unter anderem auch Stars wie Barbra Streisand - bekannt gegeben, dass - sollte der Fall eintreten - sie das Land verlassen werden.
Ein Volk also, das diesen Demagogen wählt, der eine Schande für die Demokratie ist. Und schon fallen erste Vergleiche mit Hitler.
Nein. Einfach nein . Hitler war ein Massenmörder. Ähnlichkeiten vielleicht höchstens in einer Sache: die Reden, die Volksver führung, die Manipulation durch Reden, die den Zuhörern Volksnähe und Normalität versprechen sollen: "Ich bin einer von euch".
In einer Zeit, in der die Leute sowieso schon unsicher sind ob den besorgniserregenden Nachrichten, die wir tagtäglich zu hören bekommen, schürt ein Mann wie Trump diese Angst umso mehr, indem er Menschen gegen Menschen aufhetzt. Ich habe hier bewusst geschrieben Mensch gegen Mensch und nicht gegen Ausländer, Frauen, Behinderte, sondern Menschen. Trump stichelt gegen alles und jeden, das anders ist und nicht in die Norm des American Way Of Life passt.
Es ist, wie wenn man in einem bösen Traum erwacht: Donald Trump ist US-Präsident. Daran werden wir uns gewöhnen müssen. Wir werden uns noch wundern, was alles möglich sein wird in den nächsten Monaten. Denn wenn Trump auch nur einen Teil seiner Ankündigungen umsetzt, wird in der Weltpolitik kein Stein auf dem anderen bleiben.
(Der Standard, 09.11.2016)
Und dann erst der Abstieg der First Lady, meine Güte! Ich bin ja grosser Michelle Obama-Fan; eine tolle, intelligente, studierte, offene und herzliche Frau, die während all der Jahre ihrem Mann und ihrer Familie zur Seite stand und sich auch selbst zu Wort gemeldet und auf öffentlichen Anlässen Reden - und was für welche! - gehalten hat. Man erinnere sich an die Rede im Oktober gegen Trumps respektloses Verhalten gegenüber Frauen.
This is not something that we can ignore. It's not something we can just sweep under the rug as just another disturbing footnote in a sad election season. Because this was not just a "lewd conversation." This wasn't just locker-room banter. This was a powerful individual speaking freely and openly about sexually predatory behavior, and actually bragging about kissing and groping women, using language so obscene that many of us were worried about our children hearing it when we turn on the TV.
(Teil von Michelle Obamas Rede im Oktober 2016)
Donald Trump ist also Präsident der Vereinigten Staaten. Der mächtigste Mann der Welt.
Ich bin fassungslos. Das ist wohl der Begriff, der meinen Zustand am Besten erklärt.
Und ich hoffe, dass sich einiges ändern wird - aber nicht durch Trumps Hand.