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Literaturnobelpreisträger 2016


Es ist schon eine Woche ins Land gegangen seit Bob Dylan zum Nobelpreisträger in Literatur ausgezeichnet wurde. Eine Wahnsinns-Auszeichnung und ein grossartiger Künstler - passt doch auf's Auge wie die Faust, könnte man sich denken.

Und natürlich habe ich erstmal eine Runde durch den Laden gedreht, als ich das letzten Donnerstag bei der Arbeit in der Zeitung las - weil ich Bob Dylan so mag. Kommt auf meiner Bestenliste irgendwo kurz nach Bruce, und (fast) ein bisschen höher noch als Bowie.

Die ersten Diskussionen liessen aber nicht lange auf sich warten; soll man einem Musiker einen Literaturnobel preis verleihen? War er denn nur Musiker, nicht auch Poet und Geschichtenerzähler? Bob Dylan, ernsthaft? Ach, die Meinungen waren geteilter wie sie nicht hätten sein können - nicht mal ich wusste so ganz, wie ich dazu stehe.

Bob Dylan ist - wie schon gesagt - einer der Grössten ist für mich, den ich schon viele Jahre höre - noch nicht so lange wie Bruce, aber ein bisschen länger als Bowie. Ich habe viele Herzschmerzmomente mit Dylans Musik überstanden, meine ersten Stücke auf der Gitarre sind von ihm, Autofahrten durch herbstliche Wälder zu Mr.Tambourine Man - und auch an einem Abend mit Freunden in der Stammbeiz darf Like A Rolling Stone nie fehlen.

Bob Dylan ist in meinen Augen ein echt guter Mann; er kann mit seinen Liedern und Texten ziemlich viel ansprechen und lässt einem gerne auch mal ein bisschen aufgewühlt zurück.

Und für eben diese Texte wurde er nun ausgezeichnet.

 

We learned more from a three-minute record Than we ever learned in school.

(Bruce Springsteen in No Surrender über Bob Dylan)

 

Was hat der den getan, um mit dem Nobelpreis in Literatur ausgezeichnet zu werden? 50 Jahre Lieder geschrieben und ich könnte hier so einige aufzählen, für die er den Nobelpreis verdient hätte. - Zwei meiner Lieblingslieder sollen als Beispiele dienen:

Wedding Song (1974)

Album: Planet Waves (1974)

 

Ever since you walked right in

the circle’s been complete

I’ve said goodbye to haunted rooms

and faces in the street

To the courtyard of the jester

which is hidden from the sun

I love you more than ever

and I haven’t yet begun

It’s never been my duty

to remake the world at large

Nor is it my intention

to sound a battle charge

’Cause I love you more than all of that

with a love that doesn’t bend And if there is eternity

I’d love you there again

 

Tangled Up In Blue (1975)

Album: Blood On The Tracks (1975)

 

But all the while I was alone The past was close behind I seen a lot of women But she never escaped my mind

and I just grew Tangled up in blue

The only thing I knew how to do Was to keep on keepin’ on

like a bird that flew Tangled up in blue

Don’t know how it all got started I don’t know what they’re doin’ with their lives But me, I’m still on the road Headin’ for another joint We always did feel the same We just saw it from a different point of view Tangled up in blue

 

Und gleichzeitig mit den Beatles hatte er dafür gesorgt, dass das bis dahin belächelte Handwerk des Songwritings endlich als legitime Kunstform anerkannt wurde.

(Martin Schär, 13.10.2016 in der NZZ)

 

Er hat aus Kunst Kunst gemacht; in seinen späteren Werken hat Dylan Teile aus Stücken von Dichtern des 19.Jahrhunderts, ebenso auch ganze Textpassagen von Ovid, neu interpretiert und zu Songtexten umgeformt oder alte Sintara-Klassiker neu aufgenommen - und für genau diese neue, hochliterarische Arbeitsmethode (NZZ) wurde er mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Eine Woche ist ins Land gestrichen und was soll ich sagen: Ich finde es schön, dass die schwedische Akademie vom "Üblichen" loskommt und sich auf Geschichtenerzähler anderer Art einlässt - was ja auch letztes Jahr mit Swetlana Alexandrowna Alexijewitsch schon ein bisschen herauszufühlen war.

Es lässt sich darüber streiten und Gesprächsthema wird es wohl - zumindest in meinen Kreisen - noch eine Weile bleiben. Aber vielleicht ist es ja wirklich so wie Dylan einst sang:

The answer, my friend, is blowin' in the wind.

An dieser Stelle auch: Ich freue mich. Meiner Meinung nach ist der Nobelpreis vollkommen verdient und danke für fünfzig Jahre Musik und viele schöne Erinnerungen.

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